Der bernische Staatshaushalt droht in den nächsten Jahren in die roten Zahlen abzurutschen. Deshalb berät der Grosse Rat auf Antrag des Regierungsrats ein Entlastungspaket. Unser Kanton wird nur dann eine gute Zukunft haben, wenn er eine nachhaltige Finanzpolitik betreibt und nicht mehr Geld ausgibt als er einnimmt. Es ist auch ganz wichtig, dass wir im Vergleich zu anderen Kantonen steuerlich einigermassen konkurrenzfähig sind. Gerade bei den Unternehmenssteuern ist dies heute überhaupt nicht der Fall, weshalb dringend eine Entlastung nötig ist. Aber auch bei den Steuern für die natürlichen Personen braucht es mittelfristig eine Entlastung.
Aus Sicht des Regierungsrates gehört ein ausgeglichener Finanzhaushalt zu den übergeordneten kantonalen Interessen: Der Kanton Bern soll keinesfalls in eine Zeit zurückfallen, in der ein Defizit dem anderen folgte, was eine unerträgliche Zunahme der Verschuldung zur Folge hatte. Leider gehört der Kanton Bern zu den finanzschwachen Kantonen. Im vor kurzem durch den Bund veröffentlichten Ressourcenindex des nationalen Finanzlastenausgleichs stehen wir bei 75,1. Wir liegen somit einen Viertel tiefer als der schweizerische Durchschnitt! Es ist daher logisch, dass sich der Kanton Bern die Frage stellen muss, welches Leistungsniveau er bieten kann.
Im Kantonshaushalt gibt es viele Möglichkeiten, die Ausgaben zu senken oder nur schon das jährlich zu verzeichnende Ausgabenwachstum zu reduzieren. Über einige dieser Möglichkeiten debattiert der Grosse Rat in diesen Tagen. Es geht darum, Doppelspurigkeiten zu vermeiden, eine effizientere Aufgabenerfüllung anzustreben und sicherzustellen, dass die Mittel des Kantons bei den bedürftigen Menschen ankommen und nicht für die Verwaltung, für grosse Organisationen oder unverhältnismässige Investitionen eingesetzt werden.
Aus dem Bereich meiner Direktion, der Gesundheits- und Fürsorgedirektion GEF, wurden drei Bereiche besonders kontrovers diskutiert:
Für die Spitex wurde beschlossen, eine Kostenbeteiligung von 15.95 Fr. pro Jahr für alle Patientinnen und Patienten über 65 Jahre einzuführen. Heute muss man über ein sehr hohes steuerbares Einkommen von 100‘000 Franken verfügen, um den vorgesehenen Beitrag leisten zu müssen. Wer darunter liegt, muss weniger oder gar nichts bezahlen. Dies ist ungerecht. Denn wer in einem Altersheim lebt, muss einen Beitrag von 21.60 Fr. pro Tag selber bezahlen, unabhängig von seinem Einkommen und Vermögen. Wer sich die neue Patientenbeteiligung nicht leisten kann, hat Anrecht auf Ergänzungsleistungen. Früher ins Altersheim muss deswegen niemand gehen. Und die Gemeinden werden – entgegen gewissen Äusserungen im Grossen Rat – dadurch ebenfalls nicht belastet. Der Kanton trägt die Kosten vollumfänglich. Trotzdem lohnt sich diese Massnahme.
Weiter wurde für die Spitex beschlossen, die Versorgungspflichtbeiträge zu reduzieren. Für jeden Teil des Kantons gibt es eine Spitex-Organisation mit dem Auftrag, alle dort wohnhaften Menschen zu versorgen. Für die Erfüllung dieses Auftrags erhält sie Geld vom Kanton, und zwar einen bestimmten Betrag pro Kopf der Bevölkerung des zu versorgenden Gebiets. Die Beiträge sind somit völlig unabhängig von den an den Patienten erbrachten Leistungen oder von den Wegzeiten hin zu den Patienten. Damit werden falsche Anreize gesetzt. In Zukunft sollen die Beträge gekürzt und nach einem neuen System ausgerichtet werden, das sich an den Bedürfnissen der Patienten orientiert.
In der Sozialhilfe wurde ein Sparbetrag für die Reduktion der Sozialhilfe beschlossen. Schon vor über vier Jahren hat der Grosse Rat dem Regierungsrat den Auftrag erteilt, bei der Sozialhilfe die Ansätze zu senken. Nun liegt eine Vorlage bereit, die drei Ziele verfolgt:
– Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit soll – auch wenn das entsprechende Einkommen bescheiden ist – wirtschaftlich gesehen attraktiver sein als der Bezug von Sozialhilfe.
– Wer Sozialhilfe bezieht, soll bei seinen Bemühungen, sich wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren, stärker motiviert und besser unterstützt werden.
– Der Bereich der wirtschaftlichen Sozialhilfe soll ebenfalls einen Beitrag an die Sanierung des Staatshaushalts leisten, und zwar über eine finanzielle Entlastung bei den entsprechenden Ausgaben von Kanton und Gemeinden.
Für die Unterstützung für die Behinderten hat der Grosse Rat auf Antrag des Regierungsrats beschlossen, die Ausgaben allgemein um 1.7 % zu kürzen. Die vom Kanton ausgerichteten Beiträge sind „historisch gewachsen“. Sie entsprechen dem Resultat von Verhandlungen und haben keinen Zusammenhang mit den erbrachten Leistungen bzw. der Bedürftigkeit der Behinderten, die in den jeweiligen Institutionen leben oder arbeiten. In einigen Jahren wollen wir mit einem grundlegenden Systemwechsel eine neue Finanzierung einführen, die sich an der persönlichen Situation der Bewohnerinnen und Bewohner ausrichtet.
Ein Anteil von 1.7 % kann ohne Weiteres durch eine Straffung der Prozesse beispielsweise in der Administration erzielt werden, und kann ohne Auswirkungen auf die Behinderten eingespart werden.
Ausserdem wurde beschlossen, von den Institutionen die Überdeckungen einzufordern, d.h. die vom Kanton zu viel bezahlten Beiträge, unter Berücksichtigung angemessener Reserven der Institutionen. Dies entspricht dem geltenden Staatsbeitragsgesetz.
Daneben wurde eine Anzahl weiterer Massnahmen ergriffen und beschlossen. Eine davon betrifft die Zusammenarbeit der Mütter-/Väterberatung mit der Erziehungsberatung. Hierfür wurden sehr hohe Summen eingesetzt, die zu sehr hohen Kosten pro erbrachte Stunde zu Gunsten der Klienten geführt haben. Diese Form der Zusammenarbeit wird so nicht weitergeführt. Allerdings wird die GEF zusammen mit der Erziehungsdirektion nach neuen Wegen der Zusammenarbeit suchen. Die eigentliche Arbeit der Mütter-/Väter-Beratung wie auch der Erziehungsberatung wird durch diese Massnahme in keiner Art und Weise tangiert.
Alle diese Massnahmen werden dazu beitragen, dass der Kanton Bern seine Mittel etwas zurückhaltender einsetzt und nicht in eine Schuldenwirtschaft abrutscht.
Pierre Alain Schnegg
Gesundheits- und Fürsorgedirektor